ÜBER DEN SINN GEWALT AUF UNTERSCHIEDLICHE ART ZU DEFINIEREN

Lebende Wesen zu töten - das hat er aufgegeben; dem Töten von Lebewesen widerstrebt sein ganzes Wesen. Ohne Stock, ohne Waffe, einfühlsam, andere verstehend, pflegt er mit allen Freundschaftlichkeit und denkt sich in sie rein.

 

Ein Wort mit vielen Gesichtern

Gewalt kann vieles heißen. In vielen Zusammenhängen ist der Begriff neutral [‚gewaltige Mengen‘] oder positiv belegt [‚ein gewaltiges Werk‘]. Wir meinen hier natürlich die harsche Übergriffigkeit, bei der wir zu nächst einmal an eine Schlägerei denken. Da man aber mit Worten jemand genauso oder schlimmer verletzen kann, wird manchmal gesagt, dass der Begriff ‚Gewalt‘ zu eng definiert ist, wenn  er erst bei Körperverletzung beginnt. Als ob erst da die Abgrenzung davon einsetzen soll und anderes nicht so schlimm wäre. 

In manchen Situationen ist es gut darauf hinzuweisen, dass auch Gruppenausschluss, Bedrohung oder Versperren des Zugangs zu lebenswichtigen Dingen auf diese Art als brutal empfunden wird. Bei dieser Ausweitung des Begriffs steht im Vordergrund das Ergebnis: Neben Verletzungen entstehen auch Rachegelüste, verfeindete Gruppen, Mißtrauen und Angst, die auch wieder weitere Schäden nach sich ziehen – oft fast genauso, wie bei körperlicher Gewalt. 

 

Die Ursache als Hauptproblem

Fragt man dann, woher die Gewalt kommt, merkt man, dass sie aus einer bestimmten Stimmung entsteht: Wut, Verzweiflung, Empörung sind die üblichen Kanditaten für die Gewalt, die wir hier meinen. Natürlich gibt es auch Spiel- & Sport-formen, wo die Motivation eine andere ist, staatliche Gewalt, wo die Motovation ein riesiges Spektrum zwischen gut & böse spannen kann oder psychopathischen Sadismus, in dem der Affekt gering ist. 

Wut, Verzweiflung, Empörung sind jedoch die häufigsten & deswegen gefährlichsten Emotionen, von allem was zu tragischer Gewalt führt. Deswegen wird dem halbwegs nachdenklichen Menschen bald klar, dass die Gefühle & Gedanken, die in einem selber die Gewalt planen, der Ursprung der meisten Gewalt sind. 

Da das der Ort ist wo der ganze Ärger losgeht, sagt man dann: diese Gedanken sind auch bereits Gewalt. Ohne sie gäbe es die körperliche, verbale oder gruppenbezogene Gewalt nicht und auch nicht die Folgeschäden. Folgt man dem Ganzen noch weiter nach Innen, stößt man auf fehlerhafte Grundannahmen. Man merkt z.b. dass das, von dem man [empört] denkt, dass es eigentlich jeder verstehen müsste, gar nicht so ist. Man stellt fest, dass im Fall von Wut, zum Beispiel, immer solche Annahmen den Gedanken, Gefühlen und Lösungsversuchen der Gewaltprojekte zu Grunde liegen. Perfektionismus ist ein einfaches Beispiel. Man wollte sich motivieren alles gut zu machen. Das setzt etwas Energie frei und Resultate stellen sich ein. Muss dann aber plötzlich immer alles perfekt sein, damit man in Ruhe schlafen kann, ist schon vorprogrammiert, dass das nichts werden kann. Jeder, der mal einen Telefonvertrag abgeschloßen hat, weiss was gemeint ist. Mal geht’s, mal nicht – was will man machen? 

 

Nichts-Tun als Form von Gewalt

Manchmal werden dann deswegen sogar die Verfassungen aus denen diesen Annahmen kommen als ‚Gewalt‘ bezeichnet, um damit das Gefahrenpotential zu verdeutlichen. 

Manche möchten auch noch ein ‚Nicht-Handeln‘ oder ‚Wegsehen‘ im Gewaltbegriff sehen, denn das Element der Rücksichtslosigkeit, das Sich-nicht-Einfühlen in die Situation des Anderen ist ähnlich. Wegen den letzten, möglichen Auswirkungen werden sie für den Zweck des Verstehens  als ebenbürtig gesehen. Gewalt kann also Vieles heissen.

Wie weit man den Gewaltbegriff für einen bestimmten Anlass ziehen möchte, hängt dann meist vom verfolgten Zweck ab. Setzt der Hobby-philosoph den Gewaltbegriff zu fein, kann das Wort ‚Gewalt‘ bedeutungslos werden. 

Wenn sich die Kinder prügeln und der Philosoph schlägt ihnen vor sich einmal zu überlegen, ob es überhaupt ein Selbst geben kann, dass sich so verteidigen muss, werden die vielleicht einen mächtigen Schreck bekommen und wegrennend denken ‚Das ist bestimmt so einer, der als nächstes die Schokolade zückt!‘ … aber bezüglich ihrer Geschwisterbeziehung würde es ihnen viel mehr helfen eine eindeutige Regel zu haben: ‚Keine Gewalt‘ heisst: ‚Niemand darf mit Absicht weh getan werden‘ … und wer jetzt schlaumeiert, der bekommt welche hinter die Löffel!‘

Ändert sich die Situation, z.b. weil das Kind jetzt auch so ein cooler Philosoph werden möchte, der mit seinem langen Mantel die Kinder auf dem Spielplatz erschreckt, kann man dann mehr in die Tiefe gehen. 

 

Wofür das Ganze

Die meisten Gedanken über Begriffe wie Gewalt wollen erreichen, dass man das Phänomen ‚Gewalt‘ näher an seiner Wurzel versteht, also wo es herkommt. Ausserdem möchte man ein feineres Einfühlungsvermögen in die Situation anderer ermutigen. Allzu oft ist es so, dass Betroffene fühlen, dass sie von niemand verstanden werden. Oder, dass ihnen niemand glaubt. Manchmal finden sie das noch schlimmer als die physische Verletzung. Vorher fühlten sie sich von einer Richtung bedroht. Jetzt fühlen sie sich für immer von allen verlassen & allein. 

Hat man sich mal eine Weile bemüht andere zu verstehen wie andere leiden, fällt einem das viel zunehmend leichter. Dadurch reagiert man besser und fühlt sich schnell viel wohler in seiner Welt, die dann vielmehr als eine gemeinsame erlebt wird. Auch eigene Probleme & Ängste lösen sich oft, denn man kann sich selber wie von Aussen sehen. Dann ist man nicht zu sehr in seiner Welt und seinen Begrenzungen gefangen. Man kann besser verstehen und besser reagieren. Alles läuft flüssiger, mit anderen, wie auch mit sich selber.

 

Die Qual der Wahl

Oft wird daran, wie angemessen die Definition von Gewalt für einen Zweck gewählt wird gemessen, wie ernstzunehmend ein Beitrag ist. 

Für den Zweck der Friends Button Idee ist ausschlaggebend, dass die körperliche Gewalt von einer Gruppe gegen eine andere Gruppe, mit Gefahr für Leib & Leben – also alles was ähnlich wie Krieg ist – die  weitreichendsten und schlimmsten Folgen hat. Selbst die Bedrohung. 

Anderes ist auch schlimm, im Einzelfall vielleicht sogar schlimmer, aber für Menschen in einer Kriegssituation ist erst einmal das Wichtigste überhaupt den Raum dafür zu erhalten, über solche Sachen nachdenken zu können: Dieser Raum zum Nachdenken ist das eigene Leben. 

Da sind sich dann auch Viele schnell einig und können etwa zusammen machen. Selbst die Haudegen haben meist irgendwann genug davon und werden manchmal später die stärksten Feinde der Gewalt. Sie haben ja am meisten mitbekommen, wohin das führt. Genau wie Kampfsportler oft die friedlichsten Friedensstifter von allen sind. Die wissen eben, dass man sich und anderen da wirklich weh tun und selbst aus Versehen schlimme Verletzungen davon kriegen kann. Oder auch mal ein Auge verlieren.  

Ein weiterer Vorteil: Hat man körperliche Gewaltlosigkeit – also ‚Friedenszeiten‘ - erreicht, weiss man, dass die Gewaltlosigkeit erreicht ist. Bei den Überlegungen zu Gedanken oder bestimmten Arten der Sprache ist das viel schwieriger, wenn nicht unmöglich. In der Gruppe sowieso. 

 

Die Weisheit einer einfachen Formel

Das ist die Idee vom Buddha, wenn er gleich als erstes von fünf Leitbildern das Allerwichtigste nennt:

 

Lebende Wesen zu töten - das hat er aufgegeben; dem Töten von Lebewesen widerstrebt sein ganzes Wesen. Ohne Stock, ohne Waffe, einfühlsam, andere verstehend, pflegt er mit allen Freundschaftlichkeit und denkt sich in sie rein.    

 

 

Das Herzstück ist also auch da in der Einstellung: Es widerstrebt einem, es ist einem zuwider, kommt einem absurd, albern, lächerlich, peinlich vor… mit anderen Worten, die eigene Grundeinstellung ist so, dass man nicht leicht in Versuchung geraten kann. Die Person, die man sein möchte und die man anderen zeigen möchte ist weit davon entfernt, ist geschützt davor, Gewalt auch nur gutzuheißen, geschweige denn auszuüben. Aber vor allem erstmal gegenüber dem Gröbsten, dem Töten, dem Waffengebrauch, also der Bereitschaft zur Verletzung.  

 

Hier noch ein paar weiterführende Links zum Thema Gewalt: 

Der Wikipedia Eintrag zu Gewalt.

Übersicht mit vielen Definitionen von den Unfallversicherungsprofis

Sehr schöne Seite mit vielen Resourcen zur Gewalt, besonders für Kinder: Frieden-Fragen.de